Boško Tomašević (Bulgarien/Österreich) geb. 1947, lebt als freier Schriftsteller in Wien. Intensive Lehrtätigkeit als Universitätsdozent und zahlreiche Veröffentlichungen zu Lyrik, Prosa und Literaturtheorie. Mitglied des französischen und österreichischen P.E.N wie auch Société des Gens de Lettres de France. Eckpunkte seines dichterischen Werkes sind die eleatische metaphysische Reflexion, das postmodernistische intertextuelle Gespräch mit der europäischen Dichtertradition. Literarische Veröffentlichungen (Auswahl): Kartesianischer Durchgang (1989), Zeitbewacher (1990), Wiederholung und Differenz (1992), Cool Memories (1994), Landschaft mit Wittgenstein und andere Ruinen (1995), Überprüfung der Quelle (1995), Plan der Rückkehr (1996), Saison ohne Herr (1998), Studie des Testaments (1999), Sprachwüste (2001), Der Sommer meiner Sprache (2002), Nirgendwo (2002), Celan trifft H(eidegger) und Ch(ar) in Todtnauberg (2005), Früchte der Heimsuchung. Conquistador (2008), Archeologie der Schwelle. Faucaults Erbe (2008), Erneute Vergeblichkeit (2009), Archiv (2009), Übungen im Zweifel (2010), Berliner Gedichte (2011), Allerneueste Vergeblichkeit (2011), Früchte der Heimsuchung (zweisprachig Deutsch-Serbisch, (2011), Nirgendwohin (2011), Ausgewählte Gedichte (Podium-Porträt, Bd. 64, Wien 2012), Ausgewählte Gedichte, Bd. 1 (2012), Ausgewählte Gedichte, Bd. 2 (2013), Risse (2015), Das Vergessen, zum welchem wir werden (2016).

 

EIN DEUTSCHER SOMMER 8

 

 

Dieser arme, sterbende Nussbaum,

von dem endlos Tau bröckelt, gibt noch

Früchte. Schwerer Duft weht von den Spitzen

der Äste. Unter dem breiten Schatten des Stammes

lese ich vor des Sommers Abgang die Rose der Werke

von Heinrich Böll. Ich denke daran, was mein Leben hier war.

– Regen und Nebel im Juli. Gemähter Weizen und Amseln im Sommer.

Furchen der Nähe aller fürchterlichen Dinge.

Zeitweises Eröffnen des Schmerzes. Der große Himmel zu Mittag

und gegen Abend lagert in meinen Augen seine Balken ab

und trägt die Glocken aus den Wäldern und die Gebete.

Mit dem Sohn reise ich durch die Eifelschlösser und über den Rhein

weiter in das Gebrüll der Menge, in die Horizonte kühn.

Und dann kommt der August mit ein wenig verschlucktem Licht.

Und der Weizen verschwindet von den Feldern.

Aber neue Früchte werden gegeben und reifen.

Der erste Wein steht unter dem Himmel. Und der Most fließt

durch Blens, Niedeggen, Monschau, Obermaubach, rurabwärts,

wo Masten vom Traum aufgepflanzt. Ich schaue

die ersten herbstlichen Margarethen. Und als wär’s ein Zufall (wirklich?)

durch das Schicksal regiert über mich derselben Blume Name ohn’ Erbarmen.

Voll ist das Gesicht. Die Himmel schreiten auf der Kamille

kleinen Schrift. Und die Wache der letzten Tage hier

durch Gläser in mich lugt. Erster Septemberreif ergoss sich

mit Getöse der Reise, Richtung weiter, Richtung nirgendwo,

im Hauch für meinen Weggang. Von diesem Hunger wärmte sich Margarete,

lockte der Kerze Flamme ein Sich-Kreuzen der Augen und

Tränen der Dinge des neuen, unverhofften Verhängnisses.

 

 

Langenbroich, 11. September 2002.

 

 

EiIN DEUTSCHER SOMMER, 9

 

 

Hier, im Böll’schen Hause, beklemmt kein Vergessen.

Alles kommt, so wie das Blühen der Rose: Eine Knospe nach

der anderen, rote Blüten an der Wand, dann Fall auf nasse

Erde, danach, unmerklich, neue Blüten. Der Einfachheit des Weilens

gibt es nichts hinzuzufügen. Man muss dem Geschehen ins Gesicht

schauen! In die Einsamkeit der Sonne, die von Minze zerfressen, und

den auf Schilf ausgebreiteten Salweidenschal. Denn alles ereignet sich

im Hunger nach Leben. Alles begießt konzentrierter Akt: Klarheit und Sanftheit

und des Blühens Gleichmut. Aber, nichts ist damit aufgezählt.

Gott geht ein in Frieden. Es fällt Wind über die grünen Berge,

Regen aufgeblühter Einsamkeit rauscht durch gereifte Apfelbäume.

Noch gibt es keinen Herbst in mir, keine Melancholie.

Ich dauere nur, denn ich muss, um der Vollendung willen.

JEDNO NEMAČKO LETO, 8

 

 

To jadno umiruće orahovo stablo

sa koga se besciljno kruni rosa još

plodove daje. Veje miris težak s krunice

grana. Pod širokom senkom debla pred odlazak

leta čitam ružu delâ Hajnriha Bela. Mislim na ono

što bio je život moj ovde. – Kiše i magle u julu.

Polegla pšenica i kosovi u lêtu. Brazdanje blizine

svih strahnih stvari. Povremeno otvaranje bola.

Veliko nebo u podne i predveče taloži mi u očima

grede svoje i nosi zvona iz šumâ i bogomoljâ.

Sa sinom putujem kroz ajfelske dvore i preko Rajne

dalje u riku mnoštva, u vidike smelo.

Pa onda avgust gredi sa svetlošću malo zagrcnutom.

I pšenica s poljâ nestaje. Al novi plodovi se daju i zriju.

Prvo vino pod nebom stoji. I šîra teče kroz Blens, Nidegen,

Monšau, Obermaubah, niz Rur jarbolâ podignutih snom.

Gledam prve jesenje margarete. I kao slučaj (zar?) sudbinom

upravlja mnome istoga cveta ime nemilice. Puno je lice. Nebesa

grede nad sitnim pismom kamilice. I straža danâ poslednjih

ovde kroz stakla u mene zuri. Prve septembarske slâne

s hukom puta, prema dalje, prema nikuda ponovo se, u dah

Vavedenja, za odlaženje moje sliše. Sa te gladi plavet je

grejala, mamio plamen sveće ukrštaj očiju i suze stvari nove,

                 nenadane kobi.

 

 

Langenbrojh, 11. septembra 2002. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

JEDNO NEMAČKO LETO, 9

 

 

Ovde, u kući Belovih, nikakav zaborav ne pritiska.

Sve dolazi kao što cvatnja ruže pristiže: jedan po jedan

pupoljak, crvene latice na zidu, onda pad na vlažnu

zemlju, potom, neprimetno, novi cvetovi. Nema se šta

dodati jednostavnosti Trajanja. U lice bivanja gledati se

mora! U samost šupljeg sunca razjedenog metvicom i

šašom prostrti šal od ivâ. Jer sve se u gladi za životom

zbiva. I sve plâvi sabrani čin: jasnost i blagost i cvetanja

ravnodušnost. No, ništa time pobrojano nije. Bog ulazi

u mir. Pada vetar po zelenim brdima, kiša rascvale

samoće šûmi po dozrelim jabukovim stablima. Nikak

jeseni u meni još nema, nikakve melanholije.

Samo trajem, jer moram - dovršenja radi.

 

 

 

     Langenbojh, 11. septembra 2002.